Über die Grenze

Nachdem wir Bücher über die nationalsozialistische Herrschaft in Ungarn, Österreich und den Niederlanden vorgestellt haben, werfen wir mit folgendem Buch einen Blick zurück in die Zeit der deutschen Besatzung Norwegens im Jahr 1942.

Von einer behüteten Kindheit werden die 10jährige Gerda und ihr großer Bruder Otto plötzlich in eine abenteuerlich Fluchtsituation katapultiert, mit der sie nicht gerechnet haben und die sie vor einige Herausforderungen stellt. Ein fesselndes Abenteuer inmitten schlimmster Umstände beginnt.

„Über die Grenze“ von Maja Lunde und Regina Kehn (Illustrationen), übersetzt aus dem Norwegischen von Antje Subey-Cramer. Erschienen 2021 im Urachhaus Verlag. 192 S., ab 9 Jahren.

Es ist November 1942 in Norwegen und wir lernen, geschildert aus der Ich-Perspektive von Gerda, ihre gut situierte Familie und ihren Alltag kennen. Doch im Land und Zuhause gehen merkwürdige Dinge vor. Gerdas Bruder Otto darf plötzlich nicht mehr mit seinem besten Freund Johan, dessen Vater mit den Deutsche kooperiert, spielen. Gerda hört im im Haus eigenartige Stimmen und ihre Eltern verhalten sich seltsam. Als die Eltern eines Nachts von der einstürmenden Polizei mitgenommen werden, sind Gerda und Otto zunächst auf sich gestellt und entdecken zwei Kinder, die bei ihnen im Haus versteckt gehalten wurden. Daniel und Sarah sind sieben und zehn Jahre, jüdisch und “zwei völlig normale Kinder”, die nur vorübergehend Schutz brauchen, denn sie sind eigentlich auf der Flucht nach Schweden, wo kein Krieg ist und ihr Vater an der Grenze auf sie wartet.

Es ist 1942 in Norwegen als Gerda zwei jüdische Kinder Zuhause entdeckt.

Gerda ist es sofort klar: Sie und Otto sind die Einzigen, die den beiden Kindern helfen können, und so trifft sie, pragmatisch und voller Selbstvertrauen, die Entscheidung, Sarah und Daniel auf ihrem Weg zur schwedischen Grenze zu begleiten. Doch ihr Bruder Otto scheint weniger mutig und abenteuerlustig zu sein wie seine jüngere Schwester und bleibt zurück, während Gerda, Sarah und Daniel im letzten Moment vor der herannahenden Polizei fliehen.

Doch so einfach wie der Plan gefasst ist, so schwierig ist es, ihn in die Tat umzusetzen, denn eine bedrohliche Situation jagt die nächste. Zum Glück hat Otto seine Bedenken und Angst überwunden und schließt sich den drei Kindern und ihrem Vorhaben an. Zu viert sind sie nun ständig auf der Hut, müssen schwierige Entscheidungen treffen und immer wieder abwägen, ob sie jemandem vertrauen können oder besser misstrauen sollten. Voller Spannung verfolgt man beim Lesen den gefährlichen Weg und die immensen Herausforderungen, die die vier Kinder auf sich gestellt meistern müssen und ist mehr als erleichtert, als die Flucht gelingt: Sarah und Daniel gelangen in Sicherheit und Gerda gelangt zusammen mit ihrem Bruder wieder wohlbehalten zurück nach Hause.

Voller Tempo und mit viel Frische erzählt Maja Lunde das Abenteuer der vier Kinder, die so unterschiedlich sind, aber durch das gemeinsame Abenteuer, zwischen Lebensgefahr und unbändiger Freude, eng zusammenwachsen. Eingebettet in den historischen Kontext erfahren wir beim Lesen auch etwas über geschichtliche Fakten und die Hintergründe wie nationalsozialistische Herrschaft, Krieg und Verfolgung der Juden, die zur Flucht von Sarah und Daniel geführt haben. Dabei bleibt die Autorin bei alterentsprechenden Erklärungen und Schilderungen, so dass die Lesenden nicht überfordert werden, aber dennoch Zusammenhänge verstehen.

Ein packender Roman für Kinder, der Spannung mit geschichtlichen Hintergründen kombiniert.

So brilliert dieses Buch durch intensive Spannungsbögen, authentische Charaktere, die sich im Verlauf der Geschichte stetig weiterentwickeln, eine sich verändernde Geschwisterbeziehung und natürlich die Themen Antisemitismus, Verfolgung, Nationalsozialismus und Krieg. Durch das Aufrechterhalten des Spannungsbogens wird man beim Lesen von der Handlung mitgerissen und hat trotz des für diese Zeit wahrscheinlich eher untypischen positiven Endes nie den Eindruck, dass die Geschichte unrealistisch wirkt oder rührselig wäre.

Vor allem überzeugt in der Geschichte die Hauptfigur Gerda, die mit ihrem solidarischen Handeln nicht nur in die Fußstapfen ihrer mutigen Eltern tritt, sondern darüber hinaus intuitiv versteht, was wichtig ist: “Ich wusste nicht so viel über Juden. Sie glaubten an Gott, aber nicht an Jesus. Und dann war es so, das Hitler, der Chef der Nazis, nicht mehr wollte, dass die Juden mit den anderen Leuten zusammenlebten. Deshalb nahm er sie gefangen und schickte sie weg. Was danach mit ihnen geschah – ich hatte keine Ahnung. Aber nun saßen zwei von ihnen vor uns. Sie hießen Sarah und Daniel. Sie war sieben Jahre alt, er zehn, genau wie ich. Und sie waren zwei völlig normale Kinder.” (S. 49)

Und die aus dem Bauch heraus nicht nur eine mutige Entscheidung trifft, sondern auch eine, die moralisch einfach richtig ist: “Wir helfen euch.” Ein Plädoyer für uns alle, dass Solidarität nicht nur wichtig und richtig ist, sondern wir alle immer mal wieder im Leben dringend darauf angewiesen sind.

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Vielen Dank, lieber Verlag Urachhaus, für dieses spannende Rezensionsexemplar – Werbung (Markennennung), unbezahlt und unbeauftragt

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