Der Damm

Was dieses Buch mit Musik zu tun hat, läßt sich nicht am Titel, sehr wohl aber auf dem melancholisch wirkenden Titelbild erkennen: Ein Kind steht in einer friedlichen naturbelassenen Landschaft zwischen Wiesen und See und speilt Geige, während ein Erwachsener sie begleitet und verträumt in die Weite blickt. Der Titel “Der Damm” als menschengemachtes Konstrukt steht im kompletten Gegensatz zu der poetisch und wehmütig anmutenden Illustration auf dem Cover und macht uns deutlich, dass es hier um mehr geht, als nur um das Geigenspiel des Kindes.

„Der Damm“ von David Almond und Levi Pinfold (Illustrationen). Erschienen 2019 im Verlagshaus Jacoby & Stuart. 32 S., ab 6 Jahre.

Am Morgen, bei Sonnenaufgang, wird ein junges Mädchen von ihrem Vater geweckt. Gemeinsam gehen die beiden über Wiesen und Hügel, doch wofür das Mädchen ihre Geige auf dem Rücken mit sich trägt, wird an dieser Stelle noch nicht verraten. Unterwegs macht der Vater das Mädchen auf die Tiere der Umgebung und kleine Wunder der Natur aufmerksam:

“’Dies wird dann nicht mehr da sein‘, sagte er zu ihr.”

Der Damm

Abschied und Neubeginn.

Auf der nächsten Seite wird erkennbar, warum die Lebewesen bald nicht mehr da sein werden – ein riesiger Staudamm wurde im Tal gebaut und wird bald mit Wasser geflutet. Bevor Vater und Tochter in die verlassenen Häuser im Tal gehen, erinnern sie an die Feiern, Tänze, Musik und Stimmung an diesen Orten, bevor die Menschen ihre Heimat verlassen mussten.

Und dann spielt das Mädchen in den Gebäuden, die bald versinken werden, während ihr Vater dazu singt – sie erfüllen jedes Haus und das ganze Tal mit ihrer Musik. Eine Musik, die nie mehr vergehen wird, auch wenn alles geflutet und von Wasser bedeckt wird. So nehmen sie auf außergewöhnliche Weise von der Landschaft und der Geschichte dieses Tales Abschied und feiern gleichzeitig einen Neubeginn. Denn die Musik erfüllt die Menschen und Herzen auch weiter – über den Verlust ihrer Heimat und der Natur hinweg, in der neuen Landschaft, die mit dem Bau des Damms entstanden ist. Eine Musik, in der die Vergangenheit dieses Tales weiter existieren kann, und die auch die neu erschaffene Landschaft erfüllt.

Die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit: 1981 spielten Mike und Kathryn Tickell tatsächlich die letzte Musik in den verlassenen Gebäuden in einem Tal von Northumberland, nachdem die Menschen in dieser Gegend wegen des Baus des Kielder Staudamms umgesiedelt wurden. Heute ist Kathryn Tickell eine weltbekannte Folkmusikerin und ist damit in die Fußstapfen ihres Vaters getreten, der Sänger und Songwriter ist.

Die letzte Musik in verlassenen Häusern.

Die Geschichte wird sehr reduziert mit wenigen Sätzen erzählt, die in ihrer Anordnung an ein Gedicht erinnern und auch in ihrer Stimmung und Erzählart einen lyrischen Charakter aufweisen. Sowohl die Erzählung als auch die Bilder sind sehr wehmütig, melancholisch und während man in die Bilder und Geschichte eintaucht, ahnt man noch nicht, welchen Verlauf diese nehmen wird.

Die Bilder unterstreichen die Geschichte auf eine spannungsgeladene Weise: Die braun-weißen Illustrationen erinnern an alte Fotografien und drücken auf besondere Weise die melancholische Stimmung am Anfang des Buches aus. Einzelne farbige Elemente wirken wie ein Eyecatcher und sind ein Lichtblick in der tristen Atmosphäre zu Beginn des Buches. Doch diese Stimmung verändert sich bildlich mit jedem Lied, das Kathryn spielt: Nach und nach weicht die gedrückte Wirkung der Illustrationen einer gelösteren. Die Wolken verziehen sich, der Himmel wird blau, während die Musik zwischen den Häusern schwebt und die Landschaft wieder farbiger wird.

Ein wunderbar poetisches Buch mit einer mehr als gelungenen Kombination aus Erzählung aus Text und Bild, das eine Hommage an das verschwundene Tal in Northumberland, an die Musik dieser Region und den Neubeginn ist, in dem auch immer Chancen stecken.

Danke, lieber Verlag Jacoby & Stuart, für dieses stimmungsvolle Rezensionsexemplar – Werbung (Markennennung), unbezahlt und unbeauftragt

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