Das alles ist Familie

Da fiel uns ein Buch in die Hände, das sehr gut beschreibt, was wir kennen, selbst wenn wir in einer Kleinstadt leben. Denn Vielfalt ist überall und wir sind ein Teil von Vielfalt. Familie ist nie festgelegt auf Anzahl, Geschlechter, Rollen, Hautfarben, Herkünfte und Klischees. Familie hat viele Gesichter. Schließlich ist genau das alles Familie.

„Das alles ist Familie“ von Michael Engler, illustriert von Julianna Swaney, ab 4, 32 Seiten, erschienen Februar 2021 bei arsEdition Verlag

Das Buch selbst ist sehr sanft, pastellig und fröhlich illustriert, was der Geschichte eine liebevolle und warme Note verleiht. Die Künstlerin Julianna Swaney setzt dabei auf Aquarell, Gouache und Farbstifte. Wir bewegen uns gemeinsam mit den beiden Hauptcharakteren Lars und Lina durch ein Wohnviertel, in dem viele Familien leben. Eine Straße voller Vielfalt. Vielfalt deshalb, weil diese kleine Straße ein Stück multikulturelles Großstadtleben in einer winzig kleinen Nachbarschaft vereint. Sämtliche Unterschiede werden fein herausgearbeitet und für Kinder verständlich erklärt. So baut sich dieses Gesamtbild durch die einzelnen Szenen Stück für Stück auf.

Es wohnen dort getrennt lebenden Eltern, Familien mit unterschiedlichen Hautfarben und Herkünften, Regenbogenfamilien (gleichgeschlechtliche Elternschaft), Patchwork Familie, Großfamilie mit mehreren Generationen, Adoptivfamilie, verwitweter Vater, Familie mit Zwillingen. Das erklärt alle mal den Titel dieses Bilderbuchs.

Lars und Lina haben einen klaren Auftrag vor sich – sie möchten den/die Empfänger*in des Pakets ausfindig machen, denn die Schrift ist ganz verschmiert und der Familienname dadurch unleserlich. Das Abenteuer, einander Kennenlernen, begleitet von vielen kindlichen Fragen kann also beginnen. Das Ende verzückt. Daher wird es hier auch nicht verraten. 😉

Beim Vorlesen lernten wir viele Familien kennen, die teils auch unseren Alltag begleiten. Es ist spannend zu sehen, wie einfach vieles für Kinder ist, was älteren Generationen häufig nicht so selbstverständlich mitgegeben wurde. Umso wertvoller sind diese Momente des gemeinsamen dialogischen Vorlesens. Beim Austausch mit dem Vorlesekind war es besonders schön, einige Stellen des Buches genauer zu besprechen und zu ergänzen.

Hier kommt auch schon der einzige Kritikpunkt und Wunsch in die Zukunft: In klischeearmen/-freien Kinderbüchern wird angestrebt, durch die Auflösung von Klischees, Verständnis für Vielfalt und Toleranz zu schaffen. Gleichzeitig jedoch bedient sich der Text bewusst Klischees, die durch die Hauptcharaktere ausgesprochen werden, um wiederum Klischees zu überspitzen und gezielt aufzulösen, wie zum Beispiel „Einzelkinder seien einsam“ oder „Geschwisterkinder müssten immer teilen“ oder „kompliziert auszusprechender ausländischer Familienname“. Die Frage lautet: Welche anderen Ideen gäbe es, diese Klischees indirekter aufzulösen?

An dieser Stelle zeigt sich ein bestimmtes Phänomen der Kinderliteratur. Es sind besondere Texte, die für für eine spezielle Zielgruppe geschrieben wird, aber eben aus Sicht von Erwachsenen, erlebt und gefiltert durch deren Brille. Es kann daher häufig nur eine Annäherung an das kindliche Verständnis geschaffen werden, denn die Gedanken werden von Erwachsenen zu Papier gebracht. Daher könnte der Wunsch für klischeefreies Vorlesen sein, dass Kinderliteratur nicht ausschließlich versucht, möglichst viel bzw. alles in ein Kinderbuch zu pressen, was an Klischees und altem Rollendenken aufgelöst werden sollte. Manchmal genügen schon wenige Aspekte, um eine ganz fokussierte Auflösung zu erreichen.

Fazit: Diesem Buch ist es wirklich sehr gut gelungen, Vielfalt liebevoll und nachhaltig zu gestalten, ohne überladen zu wirken. Schließlich wird es auch nur so seinem Titel „Das alles ist Familie“ gerecht. Danke dafür!

Instagram Tipps:

  • Bei @frau_buecherfee haben wir eine wunderschöne Inszenierung dieser Buchbesprechung gesehen. Sie hat verschiedene Familien interviewt und abgebildet.
  • Bei @vielfalt_im_kinderzimmer findet ihr #klischeefreivorlesen sehr fundiert und authentisch. Ihre kritische Auseinandersetzung mit diesem Buch und auch anderen lesen wir immer gerne.

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