Als wir allein waren

Eine Szene aus dem Alltag: Im Garten kümmern sich ein Mädchen und seine Großmutter um die Blumen. Die Enkelin, die ihrer Oma hilft, stellt ihr viele Fragen:

„Nókom, warum trägst du so viele Farben?“, „Nòkom, warum trägst du dein Haar so lang?“, „Nòkom, warum redest du Cree?“, „Nòkom, warum verbringen du und Nòkomis so viel Zeit zusammen?“

„Als wir allein waren“

„Als wir allein waren“ von David A. Robertson und Julie Flett (Illustrationen), übersetzt von Christiane Kayser. Erschienen 2020 beim Little Tiger Verlag. 18 S., ab 5 Jahren.

Die Erklärungen überraschten uns beim Lesen, denn die Großmutter gibt ihrer Enkelin auf ihre Fragen Antworten, die mit dem geschichtlichen Hintergrund der kanadischen Natives und einem düsteren Abschnitt kanadischer Historie zu tun haben: Die Cree, zu denen auch die Vorfahren des Autors und der Illustratorin gehören, sollten von ihrer traditionellen Kultur entfremdet werden. So mussten die Kinder der indigenen Bevölkerung bis Ende des 20. Jahrhunderts ihre Kindheit in so genannten „Residential Schools“ verbringen, um dort „umerzogen“ zu werden. So wurden ganze Generationen von ihren Familien und kulturellen Wurzeln getrennt und erlebten ihre glücklichsten Momente nur dann, wenn sie allein waren und ihre tiefverwurzelte Tradition in kurzen Momenten leben konnten – kurze Momente, die Widerstand gegen den Versuch, die kulturelle Identität der Kinder zu zerstören, und Freiheit ausdrücken.

Die Geschichte wird aus Sicht der Enkelin erzählt und erhält durch die Dialoge zwischen Enkelin und Großmutter eine sehr persönliche Note – der Einblick in eine Familiengeschichte, aber auch in die Historie der Cree, der sich aus den ausgrenzenden Erlebnissen der älteren Generation, der Suche der jüngeren Generation nach Antworten auf die Vergangenheit und kulturelle Aspekte sowie den Erklärungen der Großmutter zusammensetzt. In den sich wiederholenden Elementen der Geschichte werden Gegenwart und Vergangenheit, diskriminierende, grausame und hoffnungsvolle Situationen miteinander verwoben. Durch die Verwendung von Wörtern in der Cree-Sprache wird die Kultur der Natives nicht nur hervorgehoben, sondern erfährt auch eine Wertschätzung. Unterstützt durch leuchtend bunte, kraftvolle und traditionell wirkende Illustration sowie in schwarz gesetzte Texte, die die Gegenwart einfangen, und triste, bedrückende Illustrationen in dunklen Farben und in braun gehaltenen Textabschnitte, die die bedrückenden Erinnerungen der Großmutter der Vergangenheit widerspiegeln, wird die Stimmung der Geschichte auf besondere Art ausgedrückt.

Warum hat uns dieses Bilderbuch überzeugt?

  • Ein Buch, dass uns direkt in seinen Bann gezogen hat mit seiner feinfühlig erzählten Geschichte, den ruhigen und gleichzeitig ausdrucksstarken Illustrationen und damit, uns auf historische Gegebenheiten aufmerksam gemacht zu haben, die uns noch viel zu wenig bekannt waren und sind.
  • Und ein zeitloses Buch angesichts der immer noch herrschenden Diskriminierung und Ausgrenzung von indigenen Minderheiten überall auf der Welt.
  • Danke, David A. Robertson und Julie Flett, für dieses wunderbare, wunderbare Buch!

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Rezensionsexemplar – Werbung (Markennennung), unbezahlt

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